Schon für unser tägliches Miteinander ist der Personzentrierte Ansatz von unschätzbarem Wert. Aber auch auf professioneller Ebene leistet er gezielt Unterstützung: Personzentrierte Psychotherapie ist in der ambulanten und stationären psychotherapeutischen Versorgung etabliert. Sie wird meist als Einzeltherapie mit Erwachsenen, mit Kindern und Jugendlichen, aber auch als Gruppentherapie sowie als Paar- bzw. Familientherapie durchgeführt.
„Gesprächspsychotherapie“ ist in Deutschland die gebräuchlichste Bezeichnung für die auf dem Personzentrierten Ansatz gründende Psychotherapieform. Ihr liegt die Überlegung zugrunde, dass der Mensch danach strebt, sich zu entfalten und weiterzuentwickeln (Aktualisierungstendenz). Eine Gesprächspsychotherapie dient dazu, Blockierungen dieser Selbst-Aktualisierungstendenz aufzuheben. Sie zielt darauf ab, dass sich die Selbstwahrnehmung der Klient*innen in Bezug auf ihre Erfahrungen und Gefühle ändert. Im Mittelpunkt steht das Erleben des Individuums, nicht das Problem.
Psychotherapeuten mit personzentrierter Qualifikation haben umfangreiche Weiterbildungen absolviert.
Personzentrierte Psychotherapie mit Erwachsenen – was ist das überhaupt?
Personzentrierte Psychotherapie richtet sich an Personen in Lebenskrisen und mit Leidenszuständen, durch die sie bei der Bewältigung von Alltags- und beruflichen Aufgaben u. U. sehr beeinträchtigt sind. Es handelt sich dabei zum Beispiel um Angststörungen, depressive, psychosomatische, Ess- oder Abhängigkeitsstörungen. Die Symptome werden als Fehlverarbeitung von divergierenden Gefühlen, Bedürfnissen und Ansprüchen gesehen. In der Therapie sollen die Klienten angeregt werden, sich mit ihren Symptomen, aber auch mit scheinbar davon unabhängigen Befürchtungen, Erwartungen und Enttäuschungen auseinanderzusetzen. Selbstachtung und Selbstwerterleben werden gefördert und widersprüchliche Gefühle, Intentionen und Wünsche geklärt. Dies schafft die Voraussetzungen zur Behebung der Störung, aber auch zu mehr Selbstvertrauen und Selbstentwicklung der Klienten.
Wie geht ein Personzentrierter Psychotherapeut in der Arbeit mit Erwachsenen vor?
Nach der Verständigung über die Therapieziele erläutert der Therapeut dem Klienten, wie er ihm bei der Selbsterkundung helfen will. Er spiegelt den emotionalen Gehalt der Äußerungen des Klienten und unterstützt ihn so darin, seine oft komplexen Gefühle zu identifizieren und zu differenzieren. In einem weiteren Schritt lotet der Therapeut die Bedeutungen eines Gefühls-Begriffes, zum Beispiel „Ärger“, aus, indem er die Äußerungen des Klienten paraphrasiert. Auf diese Weise wird ein Zusammenhang mit anderen Gefühlen oder Bedürfnissen deutlich. Als nächstes geht es darum, die Gründe für diesen Erlebenszusammenhang zu verstehen. Diese können zum Beispiel darin bestehen, dass es in der Vergangenheit entmutigende Beziehungserfahrungen mit einer früheren Bindungsperson gab.
Welche Themen oder Problemfelder kommen in der Personzentrierten Therapie mit Erwachsenen besonders häufig vor?
Neben Angststörungen, depressiven, psychosomatischen, Ess- oder Abhängigkeitsstörungen handelt es sich häufig um Ehe- und Partnerschaftskonflikte, Trauerreaktionen nach Trennung, Vereinsamung, frustrierende berufliche Situationen oder scheiternde Karriereziele oder um das Scheitern von Lebensentwürfen insgesamt.
Vor welchen Herausforderungen stehen Personzentrierte Psychotherapeuten in ihrer Arbeit mit Erwachsenen?
Nach Rogers, dem Begründer der Personzentrierten Therapie, soll der Therapeut dem Klienten ein Alter Ego, eine Art einfühlsamer Doppelgänger, sein. Das bedeutet, dass sich der Therapeut mit seinem Meinen und spontanen Urteilen sehr zurücknehmen muss. Das erfordert eine hohe, von Empathie geleitete Konzentration und Achtsamkeit, damit der Gehalt der Aussagen des Klienten so erfasst und zurückgespiegelt werden kann, dass für den Klienten ein intensiver Impuls zur Selbsterkundung entsteht.
Welche persönlichen Voraussetzungen muss ein Personzentrierter Psychotherapeut mitbringen?
Der Therapeut darf seine Zuwendung, Anerkennung und „positive Beachtung“ des Klienten nicht an Bedingungen knüpfen. Um dies zu gewährleisten, muss er wachsam gegenüber sich selbst sein. Und er muss kongruent sein – das heißt, dass er sich um Selbstdurchsichtigkeit und Selbstübereinstimmung bemühen sollte. Schließlich muss er eine hohe Fähigkeit zur Einfühlung haben.
Ein Fallbeispiel aus der personzentrierten Psychotherpie:
Eine junge Studentin erleidet eine erste Panikattacke mit Herzrasen, Schweißausbruch und Schwindel in einem Tapetengeschäft, das sie im Rahmen ihrer Renovierungsarbeiten an einer neu angemieteten Wohnung aufgesucht hatte. Zu dieser Zeit wohnt sie noch im Elternhaus in der Obhut ihrer überfürsorglichen Mutter. Da in den folgenden Wochen die Panikattacken immer häufiger auftreten, verlässt sie die Wohnung nur noch in Begleitung ihrer Mutter, kündigt die Wohnung und bricht ihr Studium ab. In der Therapie entspricht die Therapeutin zunächst geduldig und einfühlsam dem Bedürfnis der Klientin, sich mit den körperlichen Aspekten ihres Syndroms und ihren Befürchtungen, dabei einen „Herzschlag“ zu bekommen, zu beschäftigen. Dann beginnt sie, behutsam die Beziehung der Klientin zu ihrer Mutter zu thematisieren. Dabei kann die Klientin die Ambivalenz ihrer Mutter gegenüber zunächst nur sehr indirekt, dann aber immer weniger schambesetzt verbalisieren: Einerseits sucht sie die Geborgenheit in der mütterlichen Obhut, anderseits ärgert sie sich über die Einengung und Behinderung ihrer Selbstständigkeit, die sie dabei erfährt. Diese Ambivalenz findet ihr Gegenstück in dem abgebrochenen Projekt „Selbstständigkeit in einer eigenen Wohnung“. Als sie diese Aspekte zunehmend unbefangener und unverzerrter symbolisieren kann, nehmen die Panikattacken soweit ab, dass sie ihr Studium wieder aufnehmen kann.
In welchem Bereich arbeiten Personzentrierte Psychotherapeuten?
Sie arbeiten zum Beispiel in Erziehungs-, Partnerschafts- und Sucht-Beratungsstellen, aber auch in Kliniken und Rehabilitationseinrichtungen oder in eigener Praxis.
Literaturtipps:
Rogers, C.R. (1977). Therapeut und Klient. Frankfurt: Fischer.
Swildens, H. (2016). Personzentrierte Beratung und Psychotherapie in der Praxis. Köln: GwG-Verlag.
Finke, J. (2004). Gesprächspsychotherapie. Stuttgart: Thieme.
Stumm, G. & Keil, W. (Hg., 2014). Praxis der Personzentrierten Psychotherapie. Wien: Springer.
Behr, M., Hüsson, D., Luderer, H.-J. & Vahrenkamp, S. (2017). Gespräche hilfreich führen – Bd. 1: Praxis der Beratung und Gesprächspsychotherapie. Weinheim-Basel: Beltz-Juventa.
Personzentrierte Psychotherapie mit Kindern und Jugendlichen – was ist das überhaupt?
Die kindliche Seele manifestiert sich direkt im spontanen Spiel. Daher ist das Spiel in der personzentrierten Psychotherapie der Weg zur Seele des Kindes und zu deren Genesung. Im Spiel kann sich das Kind gefahrlos ausprobieren und ausleben. Dabei geht es einerseits um den Ausdruck von unerfüllten Bedürfnissen und Wünschen. Andererseits können aber auch Gefühle wie Aggression, Angst oder Regression ausgelebt werden. Neben dieser Arbeit mit den inneren Konflikten des Kindes ist auch die korrigierende Beziehungserfahrung des Kindes mit dem/der Therapeut*in wirksam im Heilungsprozess. Das Kind steuert den Spielprozess. Der/die Therapeut*in folgt, er/sie ist ganz Teil des Spiels und unterstützt den Spielfluss. Das Spiel braucht eine vielschichtige und hohe Aufmerksamkeit. Ältere Kinder und Jugendliche fordern die Therapeut*in besonders als kongruentes Gegenüber heraus. Hier steht die Beziehungserfahrung im Vordergrund.
Wie gehen Personzentrierte Psychotherapeut*innen in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen in der Regel vor?
Kinder und Jugendliche leben mit ihren Eltern oder sonstigen Bezugspersonen. Daher sind Kinder- oder Jugendtherapie, Eltern- und Familienberatung sowie die interdisziplinäre Zusammenarbeit eng miteinander verbunden. In der personzentrierten Arbeit entsteht ein Beziehungsraum, der neue, korrigierende (Selbst-)Erfahrungen ermöglicht und Entwicklungen freisetzt. In der Therapie treffen die jungen Klientinnen und Klienten auf eine für sie vorbereitete Spezialwelt (das Spielzimmer), die Sicherheit gewährt und Aufforderungscharakter hat. Der/die Therapeut*in ermöglicht einen Entfaltungsraum. So können im spielenden und schöpferischen Geschehen sowie in der bejahenden Beziehung starre (inkongruente) Denk-, Fühl-, Sprech- und Handlungsmuster dekonstruiert und neue Strategien entwickelt werden. Der/die Therapeut*in gibt dem Kind oder dem Jugendlichen in diesem Prozess Anstöße, sowohl auf der Spiel- als auch auf der Realebene.
Welche Themen / Problemfelder kommen in der Personzentrierten Psychotherapie mit Kindern und Jugendlichen besonders häufig vor?
Besonders häufig werden folgende Themen bearbeitet: sozial-emotionale Beeinträchtigungen, Ängste, Auffälligkeiten zu Hause oder in der Schule, Themen der Identität, Ohnmacht, Wut oder Belastungserlebnisse wie die Trennung der Eltern.
Vor welchen Herausforderungen stehen Personzentrierte Kinder- und Jugendlichentherapeut*innen in ihrer Arbeit?
Personzentriert zu arbeiten heißt, das Kind bzw. die Jugendliche oder den Jugendlichen in den Mittelpunkt zu stellen. Damit ist es die Aufgabe des/der Therapeut*in, ein hoch individuelles, haltungs- und theoriegeleitetes Spiel- und Beziehungsangebot zu gestalten. Ziel ist es, dem Kind oder dem/der Jugendlichen neue, emotional korrigierende Selbst- und Beziehungserfahrungen zu ermöglichen. Diese Flexibilität – sich auf jedes Kind neu, anerkennend, verstehend und momentzentriert einzulassen – erfordert eine hohe Wachheit auf den Ebenen des Spiels, der Beziehung und der Selbstbewusstheit. Es bedarf einer hohen inneren Freiheit und Sicherheit des/der Therapeut*in, immer wieder die implizite Einladung auszudrücken: „Erzähl mir von DIR.“
Ein Fallbeispiel aus der personzentrierten Psychotherapie mit Kindern- und Jugendlichen:
Felix (6 Jahre alt) leidet unter der Trennung seiner Eltern. Er ist anderen Kindern und den Eltern gegenüber oft aggressiv und aufbrausend, gleichzeitig aber auch sehr anhänglich und weinerlich. Auf Bitte der Eltern erhält er eine personzentrierte Kinder- und Jugendpsychotherapie mit der Absicht, ihn in der schwierigen Trennungsphase der Eltern zu begleiten und zu stabilisieren. In der Spieltherapie erhält Felix die Möglichkeit, im Spiel seine inneren Themen auszudrücken und zu symbolisieren. Er spielt immer wieder einen Ritter, der um seine Frau kämpft, der um seine Frau weint; der nicht mehr weiß, für was er noch kämpfen soll, wenn sich seine Frau von ihm trennt. All seine widerstreitenden Gefühle legt er in das Spiel hinein. Er kämpft als Ritter, er verteidigt, er weint und manchmal gibt es Phasen, da ruht er sich vom vielen Kämpfen einfach nur aus. Der/die Therapeut*in begleitet diese Spielszenen, indem sie alle Themen wertschätzt, die Gefühle des Ritters verbalisiert und die kindlichen Spielinszenierungen durch ihr Mitspielen ermöglicht. Mit fortlaufender Therapie verändert sich das Spiel des Kindes: Die Kämpfe nehmen ab, bis das Ritterspiel gar keine Bedeutung mehr bekommt. Felix greift immer mehr andere Spielthemen auf wie „Freunde finden“, „Schulkind werden“ oder „Oma besuchen“. Begleitend findet neben der Spieltherapie eine intensive Elternberatung statt, in der den Eltern verdeutlicht wird, wie wichtig es für Felix ist, dass sie ihre Mutter- und Vaterrolle wahrnehmen, Abwertungen dem Ex-Partner gegenüber vermeiden und ihren Paarstreit von Felix fernhalten. Den Eltern gelingt es immer mehr, die Paarebene von der Elternebene zu trennen und ihre Rolle als Eltern einzunehmen. Dadurch wird die Situation für Felix zunehmend entspannter und so kann die Therapie bald erfolgreich beendet werden.
Literaturtipps:
Axline, V. M. (1996, 2016). Kinder-Spieltherapie im nicht-direktiven Verfahren. München: Reinhardt.
Behr, M. (2012). Interaktionelle Psychotherapie mit Kindern und Jugendlichen. Göttingen: Hogrefe
Behr, M., Hüsson, D., Nuding, D. & Wakolbinger, C. (Hrsg.) (2014). Psychotherapie und Beratung bei Kindern, Jugendlichen, Familien – Personzentrierte Beiträge aus 2 Jahrzehnten. Wien: Facultas.
Goetze, H. (2002). Handbuch der personenzentrierten Spieltherapie. Göttingen: Hogrefe.
Hockel, C.M. (2011). Personzentrierte Kinderpsychotherapie. München: Rainhardt.
Weinberger, S. (2015). Kindern spielend helfen. Eine personzentrierte Lern- und Praxisanleitung. Weinheim: Beltz.
Personzentrierte Körpertherapie – was ist das überhaupt?
Der Humanistischen Therapie liegt ein ganzheitliches Menschenbild zugrunde, zu dem selbstverständlich der Körper der Person dazugehört. Aus existenzieller Sicht geht die Wissenschaft (allen voran Eugene T. Gendlin) von einem stetigen Erfahrungsstrom in einer Person aus, der auf alles reagiert, was wir erleben oder was uns beschäftigt. Dieser Erfahrungsprozess ist körperlich spürbar, in seinem Kern zunächst vage und ganzheitlich. Er organisiert sich selbst und bringt oft mehr hervor als das, was die Person schon vorher gewusst hat. Diese Bezugnahme auf die eigene Erfahrung, die körperliche spürbar ist, ist die Basis der Personzentrierten Körperpsychotherapie. Bedingung für diesen Prozess ist das Einfühlen, Annehmen und die Präsenz des/der Therapeuten/Therapeutin. Mit Körperpsychotherapie ist hier nicht ein eigenständiges Therapieverfahren gemeint, sondern der selbstverständliche Einbezug des Körpers in normale psychotherapeutische und beraterische Vorgehensweisen.
Wie geht ein/e Personzentrierte/r Körpertherapeut*in bei seiner Arbeit in der Regel vor?
Grundsätzlich können aus allen normalen Prozessen in Therapie und Beratung heraus körperpsychotherapeutische Angebote einbezogen werden. Die Therapeutin kann sich körperlich einfühlen (z. B. durch Einnehmen der Körperhaltung des Klienten), sie kann das Annehmen auf körperliche Weise anbieten (z. B. durch Halten der Hand), sie kann ihrer Klientin ein präsentes und resonantes Gegenüber sein, das auch körperlich spürbar ist.
Welche persönlichen Voraussetzungen müssen Personzentrierte Körperpsychotherapeuten mitbringen?
Wichtig sind eine Grundausbildung in Personzentrierter Therapie oder Beratung (oder eine andere therapeutische oder beraterische Grundausbildung) sowie Interesse an Therapie oder Beratung mit dem Fokus auf Körper, Gefühlen, Beziehung und Bindung und entwicklungspsychologischen Sichtweisen.
Fallbeispiel zu einem Therapieprozess zur Arbeit mit der Körperhaltung:
Eine junge Patientin fiel in der stationären Therapie mit ihrer Körperhaltung auf, die an Patientinnen mit einer chronifizierten Psychose erinnerte. Insbesondere in Gruppensituationen saß sie immer gebeugt da, Blick auf den Boden, zeigte kaum Bewegungen oder mimische Regungen. Wenn sie angesprochen wurde, konnte sie aber immer gut Antwort geben, sodass deutlich wurde, dass sie etwa einer Therapiestunde genau gefolgt war und alles verstanden hatte. In Vorbereitung auf einen Besuch beim Arbeitsamt konnte die Körperhaltung erstmals angesprochen werden, die für die Patientin seit vielen Jahren selbstverständlich war und die sie nie hinterfragt hatte. Statt sie einfach nur zu kritisieren, zu korrigieren oder zu deuten wurde sie angeregt, diese Körperposition erstmal innerlich wahrzunehmen und zu untersuchen. Über das probeweise Einnehmen anderer Haltungen wurde der Patientin deutlich, welche Einschränkungen etwa bezüglich Atmung oder Gesichtsfeld ihre gewohnte Positur mit sich brachte. Beim Aufrichten und Blickheben belebte sich ihr Gesicht und sie lächelte sogar. Indem der Therapeut die beiden polaren Positionen einnahm, gebeugt und aufgerichtet, konnte die Patientin die ganz unterschiedliche Wirkung auf andere erleben. Das war möglich, da die therapeutische Beziehung gut war und sie sich nicht „nachgeäfft“ oder verspottet fühlte. Diese Erfahrungen genügten, um in das „offizielle“ und für sie wichtige Gespräch ganz anders hineinzugehen.
In welchem Bereich arbeiten personzentrierte Körpertherapeut(inn)en?
Personzentrierte Körperpsychotherapie ist im Bereich der klinischen Psychologie entwickelt worden. Körperorientierte Vorgehensweisen können in Psychotherapien im Einzel- oder Gruppensetting eingesetzt werden, aber auch in Beratungskontexten. Ein guter Ausgangspunkt sind Focusingprozesse. In eine körperpsychotherapeutische Ausbildung kommen auch Therapeutinnen und Berater mit Grundausbildungen in anderen Verfahren (Verhaltenstherapie, Tiefenpsychologie). Personzentrierte Körperbezogene Vorgehensweisen erweitern und vertiefen psychotherapeutische und beraterische Prozesse.
Personzentrierte Familientherapie – was ist das überhaupt?
In der personzentrierten Familientherapie entwickeln Familienmitglieder ein Verständnis unter- und füreinander. Dies geschieht unter den vom Therapeuten gewährleisteten Konditionen, den Grundhaltungen des Personzentrierten Ansatzes: bedingungslose Wertschätzung Empathie und Kongruenz. Die personzentrierten Modelle von Selbstkonzept, Aktualisierungstendenz und Inkongruenz werden hier auf die einzelnen Familienmitglieder, aber auch auf die Familie als Ganzheit angewendet. In der Therapie kommt der Beachtung von Emotionen und ihrer Wirkung auf die jeweils anderen Familienmitglieder besondere Bedeutung zu.
Wie geht ein Personzentrierter Familientherapeut in der Arbeit mit Klienten in der Regel vor?
Am Anfang steht die Auftragsklärung: Hier geht es darum, wie motiviert jedes Familienmitglied ist und welche Erwartungen es an den Prozess und an die anderen hat. Eine zentrale Frage kann zum Beispiel sein: „Was möchtest du, was ein anderes Familienmitglied von dir versteht?“ In den ersten Sitzungen sollte auch festgelegt werden, mit wem in der Familie gearbeitet wird und wie das Setting sein soll. So kann es je nach Entwicklungsstand oder Bedürfnissen der einzelnen Familienmitglieder gemeinsame oder auch Einzelgespräche geben.
Welche Themen / Problemfelder kommen in der personzentrierten Familientherapie besonders häufig vor?
Familientherapien werden in unterschiedlichen Kontexten angeboten. Daher variieren auch die Anliegen der Klienten. In der öffentlichen Jugendhilfe (inkl. Familienberatungsstellen und aufsuchender Familienhilfe) spielen etwa die Erwartungen des sozialen Umfeldes (Schule, Kita, Allgemeiner Sozialer Dienst) eine Rolle. Hier geht es häufig um soziale Auffälligkeiten bei Kindern wie Aggressivität und externalisierendes (also von außen beobachtbares) Verhalten. In freien Praxen herrschen zudem oft sehr zurückgezogenes Verhalten, Schulverweigerung aber auch psychosomatische Störungen vor. Seitens der Eltern sind häufig psychosoziale Belastungen und Anpassungssituationen, die die ganze Familie betreffen, Anlass zu einer personzentrierten Familientherapie.
Vor welchen Herausforderungen stehen Personzentrierte Familientherapeuten in ihrer Arbeit?
Bei der Arbeit mit Familien ist der Therapeut mit der Dynamik einer Familie konfrontiert. Daraus entsteht oft eine höhere Komplexität, als es etwa in der Einzelberatung oder -therapie der Fall ist. So sollte der Therapeut einerseits die Bedürfnisse jedes Familienmitgliedes erkennen, gleichzeitig aber auch vorhandene, meist dysfunktionale Interaktions- und Kommunikationsmuster oder emotionale Schemata verstehen, um diese der Familie transparent zu machen – dies immer mit dem Ziel, dass sich die Familie besser verstehen lernt und mehr Empathie füreinander empfinden kann. Personzentrierte Familientherapeuten brauchen eine besonders stark strukturierende Haltung, müssen dabei auch Wächter über Gesprächsregeln sein und für ein Gleichgewicht unter den Familienmitgliedern sorgen.
Welche persönlichen Voraussetzungen müssen Personzentrierte Familientherapeuten mitbringen?
Fähigkeiten wie Allparteilichkeit und ein Verständnis von Kommunikations- und Interaktionsmustern sind sehr wichtig. Zudem sollten sie in der Lage sein, ein Setting herzustellen, das alle Beteiligten als „sicheren Hafen“ erleben. Und sie sollten jeweils zu Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen eine passende Beziehung aufbauen können. Der differenzierte Blick zwischen den individuellen Familienkonzepten und dem sich gemeinsam entwickelnden Familienkonzept stellt eine weitere Herausforderung dar.
In welchem Bereich arbeiten Personzentrierte Familientherapeuten?
Sie sind zum Beispiel in Familien- und Erziehungsberatungsstellen oder in freien Praxen tätig. Ebenso wird Familientherapie im Bereich der Jugendhilfe, also im „aufsuchenden Kontext“, durchgeführt. In einem eher geringen Umfang erfolgt personzentrierte Familientherapie auch in der Kinder- und Jugendlichenpsychiatrie und in kinderneurologischen Zentren. Sie ist kein Richtlinienverfahren, und daher nicht über Krankenkassen abzurechnen.
Literaturtipps:
Hollick, Lieb, Renger und Ziebertz: Personzentrierte Familientherapie und – beratung. (erscheint Ende 2018).
Weinberger, S. & Papastefanou, C. (2008): Wege durch das Labyrinth. Personzentrierte Beratung und Psychotherapie mit Jugendlichen. Weinheim Beltz Juventa.
O’Leary, C. (2014): Paar- und Familientherapie In: Stumm, G. und ‚Keil, W.W.: Praxis der Personzentrierten Psychotherapie Springer Wien.
Gaylin, N. (2002): Der Personzentrierte Ansatz in der Familientherapie. In: Keil, W./ Stumm, G. (Hrsg.): Die vielen Gesichter der personzentrierten Psychotherapie. Wien Springer (319333).
Kemper, F. (1997). Personzentrierte Familienspieltherapie am Beispiel einer Familie mit einem zähneknirschenden Knaben. In: Boeck-Singelmann et al. (Hrsg.): Personzentrierte Psychotherapie mit Kindern und Jugendlichen. 2. Bd. Hogrefe Verlag: Göttingen
Personzentrierte Suchttherapie – was ist das überhaupt?
Der Ansatz verbindet die personzentrierten Prinzipien mit Interventionen, die sich an den Besonderheiten der Symptomatik von Suchterkrankungen orientieren. Die Beziehung ist auch hier eine der wichtigsten Ressourcen für den Veränderungsprozess. Zielgruppe sind Menschen mit stoffgebundenen Suchterkrankungen (Alkohol-, Medikamenten- und Drogenabhängigkeit) und zunehmend auch Personen mit nicht-stoffgebundenen Suchtstörungen (z. B. Glücksspielsucht, Computer- und Internetsucht). Suchttherapien haben in der Regel eine dauerhafte, zufriedene Abstinenz zum Ziel.
Wie geht ein*e Personzentrierte*r Suchttherapeut*in in der Arbeit mit Klient(inn)en in der Regel vor?
Ein Schlüsselthema, vor allem zu Beginn der Therapie, ist die Arbeit an der meist brüchigen Veränderungsmotivation. Die Bereitschaft sich mit der eigenen Suchtproblematik auseinanderzusetzen ist allerdings ein Prozess, der gezielt gefördert werden kann. Am Anfang steht bei den Betroffenen die Phase der Absichtslosigkeit. Ihr folgt ein meist längerer Abschnitt der Ambivalenz, der in eine Entscheidungsphase münden sollte. Erst dann ist es möglich, die mit der Suchterkrankung verbundenen Probleme in den Blick zu nehmen und zu bearbeiten. Für den weiteren Verlauf gilt: Rückfälle sind immer möglich und sollten in jedem Fall bearbeitet werden. Suchttherapeut(inn)en sollten diese Prozesse kennen und zu beantworten wissen.
Welche Themen / Problemfelder kommen in der personzentrierten Suchttherapie besonders häufig vor?
Suchterkrankungen sind häufig. Allein die Zahl der Alkohol- und Medikamentenabhängigen in Deutschland liegt bei ca. drei Millionen. Die wenigsten Betroffenen sind allerdings bereit, fachspezifische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Das ist nicht nur ein Problem fehlender gesellschaftlicher Akzeptanz, sondern auch ein krankheitsimmanentes Merkmal. Folglich steht jeder Suchttherapeut zunächst vor der Aufgabe, die Motivation des/der Klienten/Klientin aufzubauen und zu fördern.
Vor welchen Herausforderungen stehen Personzentrierte Suchttherapeut(inn)en in ihrer Arbeit?
Eine zentrale Herausforderung ist es, die Betroffenen dabei zu unterstützen, zu erkennen, welche Funktion das Suchtmittel für sie hat. Da Sucht bei den Betroffenen häufig mit Scham einhergeht, ist auch die explizite Wertschätzung von großer Bedeutung. Hinzu kommt das Vertrauen in die eigenen Stärken, das der Personzentrierte Ansatz gezielt fördert: Er hilft dabei, dass die Klienten von der Abhängigkeit in die Unabhängigkeit kommen und zu sich selbst finden.
Welche persönlichen Voraussetzungen müssen Personzentrierte Suchttherapeut(inn)en mitbringen?
Suchtberater*innen und -therapeut(inn)en haben meist ein Studium der Sozialarbeit/Sozialpädagogik oder der Psychologie absolviert. Für die Durchführung von Rehabilitationsbehandlungen ist eine Zusatzqualifikation als Sozialtherapeut*in oder als Psychologische/r Psychotherapeut*in erforderlich. Aber auch im Bereich der Suchtberatung sind qualifizierende Ausbildungen sinnvoll und hilfreich. Die GwG bietet entsprechende Weiterbildungen an.
Ein Fallbeispiel aus der personzentrierten Suchttherapie:
Lasse Q. war zum zweiten Mal im Zeitraum eines Jahres zur stationären Alkoholentwöhnungsbehandlung in der Klinik. Einige Monate nach Abschluss der ersten Therapie war er wegen eines Partnerschaftskonfliktes rückfällig geworden. Er war wütend, verzweifelt, traurig, entschied sich aber zu einer zweiten Entwöhnungsbehandlung. Auch in dieser Phase wurde er nochmals rückfällig. Anfänglich wollte er den Rückfall verschweigen, entschloss sich aber nach kurzer Zeit in der Gruppe, darüber zu sprechen. Dabei berichtete er: „Diesmal hat mir das Trinken null Spaß gemacht. Ich habe nichts davon gehabt. Die ersehnte Entspannung und Erleichterung ist nicht eingetreten. Das Ganze bringt mir nichts mehr, es ist einfach kein stimmiger und gangbarer Weg mehr für mich.“ Die Gruppe unterstützte ihn in dieser Phase. Niemand verurteilte ihn für seinen Rückfall. Einige berichteten von ähnlichen Erfahrungen und Lasse beendete die Gruppensitzung mit dem Satz: „Ich spüre es, ich bin durch damit, der Alkohol ist kein Ausweg mehr und ich will es so auch nicht mehr. Meine Probleme werde ich zukünftig nüchtern lösen ...“
In welchem Bereich arbeiten Personzentrierte Suchttherapeut(inn)en?
Personzentrierte Suchttherapeut(inn)en arbeiten meist in ambulanten und stationären Behandlungen im Bereich von Abhängigkeitserkrankungen. Durchgeführt werden diese Therapien ambulant in Suchtberatungsstellen, stationär in Rehabilitations- fachkliniken für Entwöhnungsbehandlungen und in Adaptionseinrichtungen.
Literaturtipps:
Bensel, W. & Fiedler, D. (Hrsg.) (2012). Personzentrierte Beratung und Behandlung von Suchtstörungen. Köln: GwG.
Vogelgesang, M. & Schuhler, P. (Hrsg.) (2016). Psychotherapie der Sucht. 3. Auflage. Lengerich: Pabst Science Publishers.
Miller, W. R. & Rollnick, S. (2005). Motivierende Gesprächsführung. 2. Auflage. Freiburg i. Br.: Lambertus.
Finke, J. (2004). Gesprächspsychotherapie. 3. Auflage. Stuttgart: Thieme.
Folgen Sie uns unter