Focusing als Denkansatz und Verfahren gehört zur humanistischen Psychologie und Philosophie. Wenn wir Focusing praktizieren, übernehmen wir also ein bestimmtes Menschenbild, wir treffen eine Wahl. Focusing ist eine optimistische Philosophie: es rechnet mit einem Veränderungsprozess, es hält Veränderung für möglich. Es glaubt an die Prozesshaftigkeit von lebendigen Vorgängen. Und es ist traditionellerweise eine Individuum-zentrierte Anschauung: es glaubt an Veränderung in einzelnen Menschen (Christiane Geiser; 2009).
Focusing beschreibt den Prozess des inneren Erlebens, der geschieht, wenn sich eine Person verändert. Auf diesen inneren Prozess zu achten heißt, sich selbst kennenzulernen, sich selbst anzunehmen, mit sich selbst vertraut zu werden. Es heißt auch, sich selbst dabei zu unterstützen, die eigenen Möglichkeiten wahrzunehmen, zu entwickeln und im Handeln zu verwirklichen.
Focusing ist ein natürlicher Prozess. Wir müssen ihn nicht neu lernen, wir brauchen ihn nur wiederzuentdecken und uns zu eigen zu machen. Es ist ein Prozess, der immer und überall geschehen kann, im Alltag, in professionell helfenden Situationen, zum Beispiel in der Beratung und Psychotherapie. Es ist ein Prozess, der in der Person selbst geschieht, der eben auch durch andere Personen begleitet und damit gefördert werden kann – kollegial von Partner:innen, Kolleg:innen und professionell von Berater:innen sowie psychologischen oder ärztlichen Psychotherapeut:innen. Focusing ist deshalb eine wirksame Methode der Selbsthilfe und nützlich für Professionelle in der psychosozialen Arbeit, gleich welcher Schule sie angehören.
Focusing wurde seit der 1960-er Jahren von dem aus Wien stammenden Psychotherapeuten Eugene T. Gendlin entwickelt, der als früherer Mitarbeiter und Nachfolger von Carl Rogers, als Professor für Philosophie und Psychologie an der Universität von Chicago lehrte. Focusing ist so im personzentrierten Ansatz und in der klientenzentrierten Psychotherapie von Carl Rogers beheimatet. In Ergänzung zur bei uns üblichen „Gesprächstherapie“ ist im Focusing auch das körperliche und imaginative Erleben und das nicht-verbale Ausdrücken dieses Erlebens bedeutsam.
Neben der phänomenologischen Theoriebildung und der klinischen Erfahrung (vor allem mit psychiatrischen Patienten) war für die Entwicklung von Focusing die Frage entscheidend, von welchen Umständen es abhängt, dass manche Personen von Psychotherapie oder Beratung profitieren, andere aber keine konstruktiven Veränderungen erfahren. Gendlin fand durch das Studium von zahlreichen Therapieverläufen (verschiedener Schulrichtungen) heraus, dass weder die Technik des Therapeuten, noch die in der Therapie bearbeiteten Themen des Klienten für den Therapieerfolg verantwortlich sind, sondern die Art und Weise, wie sich der Klient ausdrückt, und das heißt, wie er mit seinem eignen Erleben in Beziehung steht.
Die Art und Weise, wie eine Person mit ihrem persönlichen Erleben in Beziehung tritt, wenn sie sich konstruktiv ändert, hat Gendlin als Focusing beschrieben. Durch die Kenntnis des Focusing-Prozesses eröffnen sich dem Begleiter oder der Begleiterin viele Möglichkeiten, den Prozess der persönlichen Veränderung bei anderen Personen zu unterstützen. So beschreibt Focusing zum einen den Veränderungsprozess selbst, zum anderen beschreibt es die Methoden, die diesen Prozess ermöglichen und systematisch fördern.
Focusing ist als beraterische / therapeutische Methode sowohl sanft und gewaltfrei, als auch hierarchiefrei. Der Erlebensprozess des Klienten „führt“, der Begleiter/ die Begleiterin „begleitet“. Im Zentrum der inneren Aufmerksamkeit stehen die inneren körperlich spürbaren Stimmungen, jene oft noch vagen und unklaren Empfindungen, die noch nicht benennbar, noch nicht mitteilbar sind – der „felt sense“. Der felt-sense steht immer in Bezug zu einem Thema (zu irgendeinem Problem, einer Lebenssituation, zu Erlebnissen etc.). Der felt-sense ist sozusagen die persönliche, innere Resonanz zu dem, was die Person im Augenblick beschäftigt. Die Achtsamkeit auf den felt sense ermöglicht diesem, sich ganz von selbst in Bewegungen, inneren Bildern oder Worten zu symbolisieren. Dadurch wird die Bedeutung dessen, was den Klienten augenblicklich beschäftigt, für ihn unmittelbar erfahrbar. Das was im Erleben auftaucht, muss weder durch den Klienten analysiert noch durch den Begleiter gedeutet werden. Es findet seine Bedeutung von selbst.
Phänomene (Erinnerungen, Fantasien, Gefühle, Verhaltensweisen, Symptome etc.), die zunächst oft auch als bedrohlich und beängstigend abgewehrt oder vermieden werden müssen, werden durch den Prozess der erlebten Bedeutungsfindung annehmbar, verstehbar und beginnen sich zu wandeln.
So ist Focusing ein Weg, sich tiefer kennen und annehmen zu lernen und wahrzunehmen, was ich brauche, was ich wünsche, was ich will und welche Schritte ich unternehmen möchte (International Focusing Network; 1985).
GwG-Mindeststandards "Focusing-orientierte Prozessbegleitung"
ECC_Erlebensbezogenes Concept Coaching – ein personzentrierter und erlebensbezogener Ansatz zur Entwicklung neuer Ideen in der Arbeitswelt
ECC-Erlebensbezogenes Concept Coaching ist ein integrativer Ansatz zur Entwicklung neuer, originärer Ideen und Konzepte. Im Mittelpunkt steht dabei die Bezugnahme auf die impliziten, sprachlich zunächst schwer fassbaren kreativen Impulse der Ideen-Entwickler_innen.
Den methodischen Kern des ECC-Ansatzes bilden die Denkschritte der von E.T. Gendlin entwickelten Methode zur Theoriekonstruktion, Thinking at the Edge (TAE) mit ihren sprachphilosophischen Grundlagen. Im ECC werden diese eng verknüpft mit Vorgehensweisen und Konzepten der Focusing-orientierten Psychotherapie sowie mit den von C. Rogers formulierten personzentrierten Grundhaltungen zur Gestaltung der therapeutischen Beziehung.
Denkschritte zur Entwicklung neuer Ideen
Anwender_innen des ECC lernen, ihre Aufmerksamkeit konsequent auf diese Impulse zu richten und ihren eigenen kreativen Prozess vor Entwertung und äußerem Erwartungsdruck zu schützen. Dabei werden in 14 verschiedenen Denkschritten logisch-abstraktes und erlebensbezogen-intuitives Denken miteinander verbunden und zu einem lebendigen Denkprozess gestaltet. So lernen Anwender_innen, ihre eigenen Gedanken durch feine Differenzierungen von Wortbedeutungen zur Sprache zu bringen und von herrschenden Denkkategorien abzugrenzen. Darüberhinaus helfen unterschiedliche Symbolisierungsformen etwa Körperempfindungen, Skizzen und Imaginationen, die durch etablierte sprachliche Konzepte bestehenden kognitiven Beschränkungen zu überwinden. ECC-Anwender_innen lernen, diese verschiedenen Denkschritte flexibel und zielorientiert einzusetzen. Speziell ausgearbeitete Leitfäden helfen ihnen dabei, das eigene Denken neu zu gestalten und erlerntes Denken durch neue, kreative Schritte zu ergänzen. Haltungen des Erlebensbezogenen Denkens und Selbstreflexionen durch Logbucheinträge unterstützten dabei, in innerer Achtsamkeit auch sprachlich noch nicht ausdifferenzierte neue Impulse wahrzunehmen und fassbar zu machen.
Begleitung von Ideen-Entwicklungen
In der Begleitung des ECC-Prozesses durch Berater_innen oder Coaches wird Wert gelegt auf personzentriertes Zuhören und Aufgreifen wichtiger Schlüsselwörter, um flüchtige kreative Impulse sicherzustellen. Um diese Impulse auch vor Zweifeln und Bedenken der Anwender_innen selbst zu schützen, wird eine Mitschrift erstellt: so erscheint das Neue oft gerade dann vertrauenswürdig, wenn eine andere Person es ernst nimmt.
Entwicklung von Gruppenkonzepten
Auch im ECC-Gruppenprozess liegt der Focus auf der konsequenten Ausarbeitung der kreativen, impliziten Impulse jedes einzelnen Gruppenmitglieds. Durch wechselseitiges Zuhören und stetiges Weiterdifferenzieren der jeweils individuellen Denkrichtungen entstehen dabei auf organische und gewaltfreie Weise neue, gemeinsame Gruppenkonzepte. Der Ansatz kann damit als grundlegend partizipativ und integrativ gelten. Spezifische Schritte zum Umgang mit logischen Widersprüchen durch Ausdifferenzierung des Wortschatzes helfen dabei, vermeintlich unpassende Positionen genauer zu verstehen und zu integrieren.
ECC kann damit verstanden werden als ein Ansatz, der sowohl logisches als auch erlebensbezogen-intuitives Denken miteinander verbindet.
Anwendungsbeispiele und ECC-Workshopreihe
ECC- Formate können in der Selbstanwendung genutzt werden, wenn es um die Entwicklung neuer Ideen und Konzepte geht. Auch für die Begleitung von Personen mit ECC gibt es eine Vielzahl von Anwendungsmöglichkeiten, so z.B. in der Personalentwicklung, im Mentoring, in der kollegialen Beratung und Supervision. Darüber hinaus können ECC-Formate für Moderationen sowie als methodische Grundlage von Trainings und In-House-Schulungen genutzt werden. Die Grundlagen des ECC werden seit 2011 in einer Abfolge von fünf Workshops vermittelt, verbunden mit spezifischen Übungen und Supervisionen. Bei unseren Fortbildungen finden Sie entsprechende Angebote.
Der ECC-Ansatz wurde von Heinke Deloch und Heinz-Joachim Feuerstein entwickelt. Mittlerweile wurden Kursleiter_innen ausgebildet, die ECC-Workshops an verschiedenen Orten Deutschlands durchführen.
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