Friederike Hauffe, die „Seherin von Prevorst“, wurde 1801 in der Nähe von Heilbronn geboren. Auf Wunsch der Eltern verlobte sie sich 1821 mit einem entfernt verwandten Kaufmann und heiratete ihn bald danach. 1823 starb ihr erstes Kind wenige Monate nach der Geburt. Sie verfiel seit dem Tag ihrer Verlobung in eine ihren Verwandten unerklärliche Schwermut, weinte tagelang, schlief kaum mehr und verweigerte die Nahrung.
1826 begann ihre Behandlung bei dem Arzt und Dichter Justinus Kerner in Weinsberg. Sie entwickelte eigenartige Symptome. Sie begann, in einem eigentümlichen traumähnlichen Zustand Geister zu sehen, wurde bei bestimmten Außenreizen bewegungsunfähig, empfand ihr Leben als körperlos und ihren Körper als schwerelos. Zudem schilderte sie, sie spüre einen Stein im Kopf und das Zusammenziehen ihres Gehirns.
Justinus Kerner schilderte diese Phänomene in seiner Beschreibung „Die Seherin von Prevorst“. Rückblickend sind sie als Symptome einer schweren dissoziativen Störung zu werten, einer Krankheit, die früher unter der Bezeichnung „Hysterie“ zusammengefasst wurde. Justinus Kerner sah die Phänomene jedoch nicht als Krankheitssymptome, sondern als Zeichen der Fähigkeit Friederike Hauffes, Geister zu sehen, die sich der Wahrnehmung durchschnittlicher Menschen entziehen. Er war zwar ein naturwissenschaftlich denkender Arzt, seine Beziehung zu seiner Patientin war jedoch durch Faszination charakterisiert. Diese Haltung verstärkte die Symptome. Kerner hatte jedoch kaum andere Möglichkeiten. Das Störungsbild der Hysterie wurde erst später beschrieben. Auch bei heutigen TherapeutInnen besteht immer wieder die Gefahr, PatientInnen mit dissoziativen Störungen nicht mit Empathie, sondern mit Identifikation oder mit Ablehnung zu begegnen.
Von diesem Vortrag steht nur der gut verständliche, aber mit Störgeräuschen behaftete Raumton zur Verfügung.
Spieldauer: ca. 49 Min.
Köln 2015, GwG-Verlag
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