„Spiritueller“ Encounter. Ein Workshop mit Peter F. Schmid
Zum Selbstverständnis des Menschen gehört sein „Urbedürfnis nach Zusammengehörigkeit“. Das ist einer dieser Peter F. Schmid-Sätze, denen man nicht widersprechen kann, weil die Zustimmung von ganz tief innen kommt. Er hat diesen Satz aber so nicht in Köln gesagt, sondern im September dieses Jahres beim Jubiläumskongress der ÖGwG in Salzburg. Im Kern ging es jedoch auch in Köln genau darum, weil dieses Urbedürfnis immer präsent ist. Denn nur „unter Menschen wird der Mensch zum Mensch“ . Auch wieder so einer dieser Sätze, die sich ganz und gar richtig anfühlen. Aus diesem folgt wiederum – auch das war Thema, dass die Gemeinschaft mit anderen Menschen von Anfang an zur „Menschwerdung“ vorhanden sein muss und also lebensnotwendig ist. Man könnte auch einfach mit Schmid sagen, „Menschen gibt es nicht ohne Gemeinschaft“. Was auch heißt, dass (menschliche) Gemeinschaft der Ursprungsort jeder Beziehungserfahrung ist und ohne Beziehungserfahrung es auch kein Mensch-Sein geben kann.
Darüber hinaus ging es in Köln um die spirituelle Ebene des Menschen. Wie erlebt er sich damit in der Gemeinschaft und wie im personzentrierten therapeutischen oder beraterischen Tun? Zu diesem weiten Spektrum gehört auch die Auseinandersetzung damit, wie „Gott und seine Beziehung mit dem Menschen verstanden werden können“ (Schmid 1998, 9) oder die Frage nach den Gemeinsamkeiten von PZA und jüdisch-christlicher Tradition. Schmid expliziert in seinem Buch „Im Anfang ist Gemeinschaft“, dass der personzentrierte Ansatz „zutiefst in der jüdisch-christlichen Tradition wurzelt“ (vgl. Schmid, 1998, 14) - was keine dogmatische Festlegung ist, sondern ein fundamentaler Blickwinkel, aus dem der PZA betrachtet und verstanden werden kann. Gerade dann, wenn „Gott“ nach christlicher Überzeugung „Beziehung und Gemeinschaft“ ist (ebd.) und Beziehung und Gemeinschaft sind fundamentale Themen des PZA.
Für alle Skeptiker und Zweifler (zu denen ich mich auch zähle): das soll und kann keineswegs heißen, dass PZA und christliche Tradition unbedingt zusammen gehören oder etwa gar nicht zu trennen wären. Das war nicht gemeint und darum ging es auch nicht. Es ging jedoch um den personzentrierten Ansatz in der Arbeit als Therapeut oder Berater. In diesem Kontext sollte es nur darum gehen, das Erleben des Klienten mit dem Klienten zu verstehen. Und zwar einzig und allein, um den Klienten darin zu unterstützen, sich selbst immer besser zu verstehen, so weit es ihm in diesem Prozess möglich ist.
Es geht aber nicht darum, sollte der Therapeut oder Berater Christ sein, dieses Christ-Sein in Richtung des Klienten zum Thema zu machen, es in der Therapie zum Thema zu machen. Wenn es der Klient nun aber selbst zum Thema macht? Dann geht es darum, was dies für den Klienten bedeutet. Aber es geht nicht um den „gemeinsamen Glauben“ von Therapeut und Klient, der hier zum Tragen kommen könnte. Und „nein“, mit dem Klienten zu beten, gehört nicht in eine Therapie. Daran ließ Peter F. Schmid keinen Zweifel. Und schon gar nicht gehört in eine Therapie, dem Klienten – weil der Therapeut auch Pastor oder Seelsorger ist – „Sünden“ zu vergeben, falls er darum bittet. Und wenn er gar nicht darum bittet, ist es sowieso und erst recht ganz und gar falsch. Denn abgesehen davon, dass „Vergebung“ – wenn man daran glaubt – allein die Sache Gottes wäre, sind Seelsorge und Therapie zwei verschiedene Ebenen. Sie gehören nicht in einen Kontext. Wer mit einem Klienten in einer „therapeutischen Beziehung“ ist, kann nicht zugleich mit diesem Klienten seelsorgerisch arbeiten. Auch das ist in diesem Workshop deutlich geworden. Und es heißt auch, dass der Mensch in der Gemeinschaft (oder der Mensch als Gemeinschaftswesen) – und die Gemeinschaft gläubiger Menschen zwei verschiedene Ebenen sind. Ob sie zufällig in der Therapie oder Beratung zusammen kommen oder nicht, ist deshalb irrelevant, weil jede Wertvorstellung des (personzentrierten) Therapeuten, sollte sie für den Therapeuten in der Beziehung mit dem Klienten Bedeutung haben, in die Supervision gehört. Ist es dem Therapeuten oder Berater nicht möglich, seine Wertvorstellung beiseite zu stellen (weil sie seine Wertvorstellungen sind), sollte die Therapie möglicherweise beendet werden beziehungsweise der Klienten an einen Kollegen weiter verwiesen werden. Das sollte Konsens sein in der personzentrierten Therapie oder Beratung.
Was jedoch auch ganz deutlich benannt wurde in diesem Workshop ist, dass man als Mensch in der Gemeinschaft mit Menschen dem Gedanken an Gott kaum „entkommt“. Man hat unausweichlich oder irgendwie damit zu tun. Zum einen, weil es nicht möglich ist, „Gott“ nicht zu denken. Selbst wenn man gar nicht religiös ist und auch nichts damit am Hut hat, kann man das Thema nicht völlig ausblenden. Weil sich zum Beispiel Verwandte, Freunde, Bekannte oder Kollegen damit beschäftigen. Zum anderen, weil Kirchen in Städten und Dörfern stehen oder weil religiöse Symbole oder Bilder oder Bücher überall zu finden sind. Man könnte also auch sagen, auf Gott stößt man überall, ob gläubig oder nicht.
Doch was bedeutet es nun, über Gott zu reden? Es bedeutet „naturgemäß vorläufig, spekulativ, eben bestenfalls analog und damit immer mehr unzutreffend als zutreffend“ zu sein, (vgl. Schmid 1998, 24).
„Jede Rede muß bildhaft und symbolisch bleiben; denn ein Gott, der sich in Worten und Begriffen einfangen ließe, wäre ja nicht mehr Gott, sondern Götze, Menschenprodukt. Warum dennoch über Gott zu reden ist? Unter anderem, weil es menschlich ist, nach dem zu fragen, was unser Leben ausmacht und trägt.“ (vgl.Schmid, ebd.)
Und was ist nun am Ende des Workshops herausgekommen? Was ist das Fazit? Ein Fazit ist, Gott ist Gemeinschaft. Er ist in Gemeinschaft durch seine eigene Dreieinigkeit und in Gemeinschaft mit dem Menschen. Umgekehrt ist es auch richtig: der Mensch ist in Gemeinschaft mit Gott, man könnte sogar sagen, ob er will oder nicht. Aber das ist sicher ein sehr weites Feld – über das es viel zu sagen gäbe und aus allen Richtungen.
Am Ende haben viele Teilnehmer viel Berührendes und Positives gesagt. „Hängen geblieben“ ist bei mir etwas Nachwirkendes, Weiterarbeitendes, das ich als das „Spirituelle“ verstehe, als eine gemeinsame Geisteshaltung. Sie bestand darin, dass wir einander näher gekommen sind, uns wertgeschätzt, gehört und verstanden gefühlt haben. Bezogen auf das Urbedürfnis nach Zusammengehörigkeit, war es auch irgendwie ein„Satt-werden“ (für diesen Tag), dass nur in der Gemeinschaft mit Menschen erlebt werden kann.
Diesen Tag in Köln nur einen Workshop zu nennen, trifft es für mich einfach nicht mehr, es war ein spiritueller Encounter.
Für Herbst 2016 ist „geplant“, Peter F. Schmid wieder nach Köln einzuladen. Du meine Güte, könnte man denken. Noch so weit hin. Ja, das ist es. Weit hin. 2015 war er leider schon ausgebucht.
Worum wird es gehen? Um „Personzentrierte Therapie ist Politik“ oder auch „PZA und Politik“. Ein Thema, dass dann vielleicht noch ein wenig aktueller sein wird, als es jetzt (schon) ist. Schmid hat in vielen Beiträgen darauf hingewiesen, was das konkret heißen kann. Dass es zum Beispiel „politisch“ ist, wenn in einer Therapie die „Arbeitsfähigkeit“ eines Klienten wieder hergestellt werden kann (vgl. Schmid 2013, 48). Und das kann ja vieles bedeuten. Zum Beispiel, dass sich der Klient „anzupassen“ lernt oder auch das Gegenteil. Oder dass er lernt, seine Bedürfnisse auch in seinem Berufsleben Geltung zu verschaffen und dort für sich und sein Wohlergehen zu sorgen. Vielleicht heißt es sogar auch, für das Wohlergehen anderer mitzusorgen, weil er sich zum Beispiel für die Gründung eines Betriebsrates einsetzt. Es kann auch bedeuten, dass dieser Klient seinen Job aufgibt – und sich völlig neu orientiert. Was auch immer, es ist gesellschaftlich wie politisch relevant.
„Zu den Herausforderungen des Personzentrierten Ansatzes zählt, Selbst-Ermächtigung und Schaffung lebenswerter Gemeinschafts- und Gesellschaftsstrukturen (community building) zu fördern.“ (Ebd.)
__________________________________________________________________________
QUELLEN:
Schmid, Peter F. (1998): Im Anfang ist Gemeinschaft. Personzentrierte Gruppenarbeit in Seelsorge und Praktischer Theologie. Wien: Kohlhammer (im Buchandel ist das Werk zwar VERGRIFFEN – aber es können noch Exemplare bei pfs direkt bestellt werden für 11,20 € unter http://bookshop.pfs-online.at
Schmid, Peter F. (2013): The most personal ist the most political. Der Therapeut als Politiker – Ein Analyse, ein personzentriertes Plädoyer und eine Konfliktanzeige. In: PERSON. Internationale Zeitschrift für Personzentrierte und Experienzielle Psychotherapie und Beratung. 1/2013, 17. Jahrgang. Wien: Facultas.
GwG-Bloggerin Christa Kosmala:
Im Zweifel Rogers
Ich lebe mit meiner Familie in Köln, arbeite als Psychosoziale Beraterin in Einzelarbeit (Erwachsene, Jugendliche, Eltern, Führungskräfte) oder mit Teams (berufliche Teams in Organisationen) oder mit Gruppen (Familien, themenzentrierte Gruppen). Ein weiterer theoretischer wie praktischer Schwerpunkt sind Unterrichte, Trainings oder Einzelcoaching in „Kommunikation, Gesprächsführung, Konfliktklärung“. Ich habe einen Masterabschluss (M.A.) in Personzentrierter Beratung (PZB) gemacht sowie diverse Fortbildungen im psychologischen, psychsozialen sowie körperorientierten Bereich (Gesundheitsprävention). Mein Erststudium in Geisteswissenschaften (M.A.) an der Uni Köln mit dem Schwerpunkt in "Sinn- u. Seinsfragen" ist bis heute eine fortwährend hilfreiche Quelle geblieben, um Menschen und ihre Lebensbewältigungsstrategien zu verstehen.
Website: www.meinekarriere-meinweg.de
Folgen Sie uns unter