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Kompetenz gesucht

Die Nachricht, die das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) im Spätherbst 2014 veröffentlichte, liest sich ganz unschuldig-sachlich:[i]
„Mit Beschluss vom 21. August 2014 beauftragte der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) das IQWiG mit der Nutzenbewertung des psychotherapeutischen Verfahrens Systemische Therapie bei Erwachsenen. Die Ergebnisse der Auftragsbearbeitung sollen gemäß der Auftragskonkretisierung des G-BA „eine Grundlage für die Bewertung des G-BA bilden, ob das Verfahren für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten insbesondere unter Berücksichtigung des gegenwärtigen Standes der medizinischen Erkenntnisse erforderlich ist”.

Dies ist vom IQWiG als „Hintergrund“ dafür zu verstehen, dass es die „Vergabe eines Auftrags an externe Sachverständige“ ausschreibt, welche die Bewertungsgrundlage für den G-BA erstellen (bzw. wesentlich vorbereiten) können. Der Auftrag „richtet sich an Einzelpersonen oder Arbeitsgruppen“ von „Methodikern“ und „Klinikern“. Diese sollen als „Methodiker“ i.W. über folgende Qualifikationen verfügen: „Nachweis eines Hochschulabschlusses der Psychologie, Medizin oder im Bereich der Gesundheitswissenschaften“ und „Idealerweise Nachweis einschlägiger Erfahrung im Bereich der Psychotherapieforschung sowie in der Erstellung systematischer Übersichtsarbeiten durch in Fachzeitschriften veröffentlichte wissenschaftliche Artikel.“ Kliniker sollten nachweisen: „abgeschlossene Ausbildung im Bereich der Systemischen Psychotherapie und … einschlägige Erfahrung …“ sowie „Fähigkeit zu eigenständigem wissenschaftlichen Arbeiten …“

Laut Auftrag des G-BA soll das IQWiG diesen Bericht im III. Quartal 2017 vorlegen.
„Nun ja“, könnte man sagen „es geht endlich weiter, mit dem sozialrechtlichen Annerkennungs-Procedere beim G-BA.“ Und man kann vielleicht sogar erfreut feststellen, dass mit der Auslagerung wichtiger
Entscheidungsvorbereitungen ans IQWiG vielleicht etwas mehr Sachverstand und weniger lobbyistische Willkür [ii] zu erhoffen ist als 2008 – bei der G-BA Beurteilung dessen, was er zum Zwecke der Ablehnung
als angebliche „Gesprächstherapie“ selbst erfunden hatte.
Wenn man allerdings etwas nach-denkt, lässt sich das Ganze leider auch anders lesen: So ist die Auslagerung ans IQWiG ein Erfolg für jene Kräfte, welche ohnehin vor allem Verschleppung des Verfahrens und Verhinderung von Konkurrenz bzw. von Alternativen für Patienten im Sinn haben: Erst im III. Quartal 2017 soll die IQWiGStellungnahme vorliegen. Ganz sicher wird also vor 2018/19 im G-BA keine Entscheidung gefällt. Und das bedeutet eine Verhinderung systemischer Therapie in Deutschlands Praxen um mindestens weitere 4 -5 Jahre.
Damit man grob den Kontext einschätzen kann, was diese terminliche Vorgabe des G-BA bedeutet, schaue man sich zum Vergleich „Die Nutzenbewertung von Arzneimitteln“ des G-BA an:[iii] Da heißt es: „Der G-BA bewertet innerhalb von drei Monaten nach Marktzulassung eines neuen Arzneimittels, ob ein gegebenenfalls behaupteter Zusatznutzen gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie anerkannt wird … Der G-BA kann mit der Nutzenbewertung das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) oder Dritte beauftragen“.

Ach – sowas geht innerhalb von drei Monaten? Warum braucht man für ein Therapieverfahren dann – nach über 4-jähriger Verschleppung des Arbeitsbeginns seit der WBP-Anerkennung 2008 – mindestens weitere 6 Jahre (2013 – 18)?? Klar, das eine ist nicht identisch mit dem anderen. Aber ist ein Psychotherapieverfahren, das seit Jahrzehnten in großem Umfang bei Patienten in Kliniken „zugelassen“ und eingesetzt wird (bis 1999 auch in Praxen), nicht mindestens gleichzusetzen mit einer Marktzulassung von Pharmaka? Und hat der WBP in seiner jahrelangen Prüfung der Studien nicht ohnehin die „Marktzulassung“ festgestellt? Warum also hier der über 20-fache Zeitaufwand?

Diese Frage führt zu einem wohl noch nach-denkenswerteren Aspekt: Inhaltlich ist, wie betont, die Auslagerung ans IQWiG unter den gegebenen Umständen zwar zu begrüßen, weil dies vielleicht die interessengeleitete Willkür der Konkurrenz-Verhinderung im G-BA etwas eindämmt. Aber man muss das einmal unter Strukturgesichtspunkten unseres Gesundheitswesens betrachten: Da leistet sich ein System einen WBP, der aus führenden Fachleuten zur Bewertung von Psychotherapiestudien bestehen sollte. Dieser erarbeitet sogar 2008 mit dem G-BA ein gemeinsames Methodenpapier zur Bewertung von Studien. Er prüft ferner über Jahre akribisch, aufwendig in bis in jedes Detail die Wirksamkeitsstudien der Systemischen Therapie. Und nach endlich ausgesprochener „wissenschaftlicher Anerkennung“ prüft der G-BA nun die restlichen Aspekte nicht – wie bei Medikamenten – „innerhalb von drei Monaten“, sondern setzt völlig neu bei „Adam und Eva“ an. Auf die Frage, wer wohl in Deutschland kompetent Studien bewerten könnte, fällt ihm nur das IQWiC ein, das diese Arbeit ausschreibt – an Leute, die einen „Hochschulabschluss“ haben müssen und „idealerweise“(!) „einschlägige Erfahrung im Bereich der Psychotherapieforschung“ haben. Ist die schallende Ohrfeige für den WBP gewollt?

Deutlicher kann die Farce der „Zulassung“ angeblich „neuer“ – in Wirklichkeit seit Jahrzehnten bewährter – Psychotherapieverfahren und der administrative deutsche Popanz zur Konkurrenz-Verhinderung in Form einer Doppelhürde von WBP und G-BA wohl kaum in Erscheinung treten.

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  • [i] Alle in den folgenden beiden Absätzen in Anführungsstriche gesetzte Zitate nachzulesen unter www.iqwig.de/download/N14-02_Vergabebekanntmachung_ Methodiker.pdf bzw. www.iqwig.de/download/N14-02_Vergabebekanntmachung_Kliniker.pdf
  • [ii] Umfangreiche Belege unter www.aghpt.de/index.php/texte/57-gba-skandal
  • [iii] www.g-ba.de/institution/themenschwerpunkte/arzneimittel/nutzenbewertung35a/