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Die Maske ist ein Muss

(..) Es war so ein langer Weg, ehe wir als Kirchengemeinde wieder „aufmachen“ konnten. Und jetzt das. Ich kämpfe mit Gefühlen der Antipathie. (..)

Die Maske ist ein Muss

ein Beitrag von Anke Well 

 

Sonntagmorgen kurz vor 10 Uhr. Ich stehe an der Kirchentür und begrüße die Gottesdienstbesucher. Ganz zum Schluss kommt noch jemand ohne Maske. Er unterhält sich hier und dort, bleibt stehen, versammelt andere um sich und erweckt den Eindruck, als gäbe es Corona nicht. Ich fühle mich überrumpelt. Die Kirchenvorsteher sitzen schon und können ihn nicht ansprechen. Ich spüre Wut in mir aufsteigen. Es handelt sich hier um ein Gemeindeglied, mit dem ich mich bis dato eigentlich immer sehr verbunden gefühlt hatte. Das Umgehen der Maskenpflicht empfinde ich als eine passive Aggression. Es war so ein langer Weg, ehe wir als Kirchengemeinde wieder „aufmachen“ konnten. Und jetzt das. Ich kämpfe mit Gefühlen der Antipathie.

Diese Begegnung sollte kein Einzelfall bleiben. Corona wirkt wie eine Lupe. Ich sehe plötzlich ganz scharf, was zuvor unter der Oberfläche war: Auf wen man sich verlassen kann und auf wen nicht. Wer sich an Regeln hält und wer nicht. Als Leitungsperson muss ich Vorgaben machen, auf ihre Einhaltung achten und zur Not Konsequenzen ziehen. Ohne ein ethisch geschärftes Bewusstsein wäre ich aufgeschmissen gewesen: Der Spagat zwischen der empathisch seelsorgerlichen Haltung und der Durchsetzung klarer Verhaltensmaßregeln wäre mit Sicherheit schwieriger zu bewältigen gewesen. Ich habe bei nicht wenigen Menschen die Neigung wahrgenommen, den Umgang mit Schutzmaßnahmen in das eigene Belieben zu stellen. Die Einsicht, dass jeder für alle verantwortlich ist, vermisse ich häufiger. Dieser Umstand hat nun auch zum zweiten Lockdown beigetragen.

Die Ausbildung im Personzentrierten Ansatz hilft mir, meine eigenen Aggressionen bei Regelverstößen schneller wahrzunehmen und einen Umgang damit zu finden. Denn es ist ja so: Sonntagmorgens an der Kirchentür streiten im Konfliktfall zwei Rollen miteinander. Einerseits bin ich die, der man sich an diesem Morgen mit seiner seelischen Verfassung anvertraut, andererseits bin ich für die Einhaltung der Beschlüsse des Vorstandes zuständig. Dieser komplexen Rollenanforderung kann ich am besten nachkommen, wenn ich gut mit mir selbst im Kontakt bin und ich mich gleichzeitig in ethischen Abwägungsprozessen zu Hause fühle.

Wenn also jetzt jemand ohne Maske und Abstand die Kirche betritt, fühle ich mich nicht mehr überrumpelt. Wie ich mich seitdem überhaupt nicht mehr so oft überrumpelt fühle. Die Coronakrise war für mich bislang wie ein Selbstbehauptungstraining: nah am eigenen Herzen, aber doch klar in der Sache.

Bleiben Sie gesund!

Anke Well