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Wenn neue Wege sichtbar werden

Ich gehöre zum „Netzwerk“ und will nun auch an dieser Stel­le ein wenig erzählen vom Verlauf unserer Focusing-Veranstal­tung im vergangenen Sommer 2022, auch in der Hoffnung, ein wenig neugierig zu machen auf diese zutiefst personzentrierte Umgangsform mit Menschen bzw. um daran zu erinnern und einzuladen, neue Erfahrungen kennenzulernen und weiterzu­entwickeln...

Ein Erlebnisbericht von den Focusing-Wochen Achberg 2022

Hallo. Ich heiße Thomas Franke und lerne seit 1986 Focusing an der Geburtsstätte des deutschsprachigen Focusing im Hum­boldthaus auf dem Achberg bei Esseratsweiler, einem kleinen Ort 12 Kilometer nördlich von Lindau am Bodensee. Meiner Erin­nerung nach gibt es Focusing auf dem Achberg seit 1981. Das war eine Veranstaltung der „Internationalen Focusing Sommer­schule“ im „International Focusing Network“, die von Johannes Wiltschko, Friedhelm Köhne und Agnes Wild-Missong, Ernst Juchli und Christiane Geiser, zum Teil nach vorangegangenen Kontakten mit Gene Gendlin in den USA, ins Leben gerufen worden war.

Gendlin war dann in den 1990ern selbst mehrmals auf dem Achberg, um dort zu diskutieren und Seminare zu ge­ben. 1988 / 89 kam es zu einer Trennung innerhalb des bisheri­gen Leitungsteams, sodass es seit 1990 bis heute zwei Focusing- Veranstaltungen auf dem Achberg gibt: die „Sommerschule“, bis heute geleitet von Johannes und seiner Frau Katrin Tom-Wiltsch­ko (eine weitere „Sommerschule“ gibt es noch seit einigen Jahren unter der Leitung von Klaus Renn aus Würzburg) und das „Fo­cusing Netzwerk“, konzipiert und geleitet von der sogenannten Engagierten Mitglieder-Versammlung (EMV), einer Gruppe von zwischen 10 und 30 focusing-begeisterten und -erfahrenen Frau­en und Männern unterschiedlichster Herkunftsprofessionen.

 

Ich gehöre zum „Netzwerk“ und will nun auch an dieser Stel­le ein wenig erzählen vom Verlauf unserer Focusing-Veranstal­tung im vergangenen Sommer 2022, auch in der Hoffnung, ein wenig neugierig zu machen auf diese zutiefst personzentrierte Umgangsform mit Menschen bzw. um daran zu erinnern und einzuladen, neue Erfahrungen kennenzulernen und weiterzu­entwickeln.

Wir hatten also zunächst im Auftaktseminar Dion Van Wer­de da, der uns mit Garry Prouty´s Methode der „Prä-Thera­pie“ vertraut machte, einer ebenfalls explizit personzentrierten „Form des Kontaktaufbaus, wenn Kontakt zu finden schwierig erscheint“. Dion vermittelte dieses Vorgehen in seiner sympa­thisch-menschlich- kompetent-erfahrenen Art als „lupenreines“ klientzentriertes Arbeiten, griffig und hervorragend nutzbar. Vielen Dank dafür!

Mit Bilderbuchwetter ging es in unserem Teil 2 der Focusing- Wochen mit Ausbildungsseminaren und Themen- bzw. Selbster­fahrungsworkshops weiter: Da war zunächst das Einführungsse­minar Focusing I (mit Florian Christensen, Achim Grube und als Tutorin Christiane Henkel): Zehn erwartungsvolle Menschen hatten hier vier Tage lang Zeit, sich langsam an Focusing heran­zutasten. Mit Körperspür-Übungen, Freiraum-Erleben, dem Ex­perimentieren mit der eigenen Wahrnehmung, dem Zuhören, erstem partnerschaftlichen Üben in wertschätzender und acht­samer Atmosphäre wurde Tag für Tag spürbarer, wie Focusing wirkt und was innerlich geschieht. Theoretische Einheiten und ausreichend Zeit für fragendes Sondieren („Genauern“) runde­ten den Basiskurs ab.

Dann war da noch das Focusing II (mit Astrid Bansen und Hansueli Windlin als Tutor): Thema des Seminars war das gegen­seitige Begleiten beim partnerschaftlichen Focusing. Kurze theo­retische Einheiten vermittelten grundlegende Begleit-Techniken, die in den nachfolgenden Übungseinheiten gleich angewendet werden konnten. Fragen nach Nähe und Distanz und der Verant­wortung im Prozess haben wir immer wieder neu thematisiert. Eingebettet in spielerische Elemente, Körperübungen und Tanz erarbeiteten wir uns die Themen mit Leichtigkeit und Freude. Die warme, offene Atmosphäre ermöglichte angeregte Gespräche und intensive Prozesse.

Das Themenseminar „Focusing kreativ erleben“ ergab sich aus der Notwendigkeit, dass Silvia Boorsma ihren geplanten Workshop krankheitsbedingt nicht durchführen konnte. Doch aus der Not entstand eine Möglichkeit – ein Prozess setzte sich in Bewegung und es wuchs das Angebot, das in Christine Grube eine exzellente Impulsgeberin fand: Mit dem vorhandenen the­oretischen Wissen und den eigenen erlebten Focusing-Erfahrun­gen entstand ein Raum für Wünsche nach Vertiefung und Auffri­schung. Unterschiedliche Themen zeigten sich, ganz individuell. Kreativität war kein Muss, eher ein Dürfen oder ein Geweckt- Werden. Es durfte entstehen. Und es entstand! Gemeinsam staunten wir, erlebten ein Sich-Einlassen, entdeckten unter­schiedliche Formen kreativer Methoden. Beim Tanz, dem Kör­pererleben, im Schreiben und Malen, der Arbeit mit Bildmateri­alien wurden Ressourcen geweckt und gesichert. Prozesshaft kam etwas ins Fließen, eingebettet in Übungen aus der Körperarbeit mit Feldenkrais und QiGong. Im Wege liegende Steine oder Äste konnten umspült bzw. weggetragen werden, neue Wege wurden im Fluss sichtbar, mal wild, mal ruhig, hin zur Akzeptanz durch Focusing. Kreativität zeigte sich frei in den Gestaltungsmöglich­keiten – und kleine künstlerische Werke entstanden. All dies be­reicherte am Ende das Erleben und wurde zusätzlich durch den achtsamen Umgang miteinander und mit sich selbst zu einem ganz eigenen Abschluss abgerundet. „War wieder mal sehr bereichernd, hab's genossen in unserer kleinen Gruppe und bin, mei­ne ich, auch wieder ein paar Schritte vorwärts gelaufen“, so der Kommentar einer Teilnehmerin.

Und zu guter Letzt war da noch das gute alte „Family Body- Selbsterfahrungsseminar“: Wie zuletzt in 2015 haben wir (Ant­je Sommer-Schlögl, Thomas Franke und Nicole Pikulik als Tuto­rin) auch in diesem Jahr versucht, mit unserem Themenseminar ganz eigenen Spuren nachzugehen. Spuren, die frühere und ak­tuellere Ereignisse in unserem Leben – auf eine noch heute be­lastend und einschränkend oder auch förderlich und „Luft“ ver­schaffend spürbare Art und Weise – in unseren Körpern und Seelen hinterlassen haben. Ein solcher Workshop wird immer ge­tragen von hoher emotionaler Intensität und achtsamer „Spürig­keit“. Das war auch in diesem herrlichen Sommer für die zehn Teilnehmer:innen und auch die drei Impulsgeber:innen im Ver­lauf der Prozesse und auch in focusing-nahen Reflexionsschlau­fen während und nach den Seminarzeiten durchgängig erlebbar. Dank an alle für diese bewegende Zeit!

Dies alles ergänzend wirkte die intensive Körperarbeit auch zwischen den jeweiligen Seminaren weiter: Stilles Sitzen, Tanzen, QiGong und Yoga als seminarübergreifende Angebote während der gesamten Focusing-Wochen wurden nach individuellem In­teresse genutzt, in den ausgiebigen Mittagspausen und an den Abenden wurden auf der Terrasse des Humboldthauses oder im Verlauf von Spaziergängen in der herrlichen Umgebung die viel­fältigen Erlebnisse zusammengetragen oder auch allein mit sich selbst vertieft.

Ich selbst habe seit 1986 kein Treffen in der Focusing-Community auf dem Achberg ausgelassen. Die Tage sind ein fester Bestandteil in meinem Terminkalender und bis heute zehre ich ein halbes Jahr da­von und das andere halbe Jahr freue ich mich darauf …

Wir, vom Focusing-Netzwerk, haben auch für 2023 wieder ein schönes „Programm“ fertiggestellt und laden euch ein, auf unserer Homepage www.focusing-netzwerk.de herumzustöbern. Toll wäre es, die eine oder den anderen im Sommer 2023 auf dem Achberg kennenzulernen oder gar wiederzusehen. Bis denne!

Thomas Franke